Bei meinem letzten Besuch in Österreich bei meinen Eltern hatte ich ein Déjà-vu.
Auf dem täglichen Fußmarsch vom Hotel zur Wohnung meiner Eltern und abends wieder zurück kam ich mit einem alten Gefühl aus meiner Kindheit in Berührung. Zuerst war ich verwundert, aber dann konnte ich herzlich über mich lachen.
Der Weg von der Wohnung ins Zentrum der kleinen Stadt führt über eine 800 m lange, gerade Straße. Also keine Biegung, keine Abzweigung, einfach nur gerade. Und ein wenig bergab. Und am ersten Abend, als ich losging zum Hotel stand ich am oberen Ende der Straße und mir war irgendwie unwohl. Ich forschte in mir nach, woran das liegt und plötzlich war es mir klar – es war ein Rückblick in meine Kindheit:
Diese Straße war der erste Teil meines Schulweges. Und der war schrecklich für mich. Jeden Tag. Und nach der Schule musste ich den gleichen Weg müde und meist hungrig wieder beschreiten. Noch schrecklicher.
Ich weiß noch, dass ich jeden Tag den Gedanke hatte: Es hört einfach nicht auf, es ist so weit, ich mag die Strecke nicht, ich möchte jetzt sofort am anderen Ende sein. Sommer wie Winter. Mit schwerer Schultasche, manchmal noch die Sport- oder Maltasche mit dabei.
Und jetzt stehe ich als erwachsene Frau vor dieser Strecke und fühle wieder diesen Widerwillen vor dieser Strecke.
Ich spüre diesem Gefühl nach und bemerke, dass es ein Gefühl von Ungeduld ist. Ich möchte jetzt sofort am anderen Ende sein. Ein Gefühl von Ungeduld, dass ich sehr gut kenne – es fast täglich spüre.
Ich mache den E-Mailaccount auf – am liebsten möchte ich schon alle Mails beantwortet haben.
Ich mache meine To-Do-Liste auf – sie sollte sofort wieder kleiner werden.
Ich fange an zu kochen – am liebsten möchte ich sofort essen.
Ich fange an zu putzen – na du ahnst es schon….
Kennst du dieses Gefühl? Wie fühlt es sich an in dir? Wann begegnet es dir? Und was tust du dagegen?
Ich höre mich lachen – ja, was habe ich als Kind gegen dieses Gefühl getan?
Eigentlich nichts. Ich bin Schritt für Schritt den Weg gegangen. Mal zog es sich ewig. Mal habe ich gar nicht bemerkt, dass ich schon fast da bin – so sehr war ich in Gedanken versunken. Ich hatte damals schon die Erfahrung gemacht, dass das Gefühl wieder verschwindet. Also warum kämpfen wir als erwachsene Menschen immer noch gegen Gedanken und Gefühle?
Warum verschwenden wir so viel Energie damit, ein Gefühl nicht aufkommen zu lassen
und wenn es da ist, weghaben zu wollen?
Dieser Kampf ist nicht notwendig, er ist einfach überflüssig. Der Gedanke und das Gefühl verschwinden, wenn es vorbei ist!
Am Ende des Weges verpufft die Energie der Ungeduld. Von ganz alleine.
Genau so war es damals und genauso war es bei diesem Besuch. Ich bin Schritt für Schritt diesen Weg gegangen und war nach ein paar Minuten dort, wo ich hinwollte.
Und es ist meine Entscheidung, wie ich diese paar Minuten verbringe: Fröhlich, nachdenklich, wütend, widerwillig…
Kein Gefühl ändert etwas an der Tatsache, diesen Weg gehen zu müssen. Also kann ich es mir ja auch angenehm machen – einfach nicht so sehr auf meine Gedanken einsteigen. Nur Schritt für Schritt meinen Weg gehen. Und das gilt überall: Ob es eine Wegstrecke ist, oder im beruflichen Alltag eine E-Mail nach der anderen, oder eben ein To-Do nach dem anderen abarbeiten.
So ist es mit allem:
Schritt für Schritt mit meiner eigenen Entscheidung, wie ich diese Schritte gestalte.
Damit brauche ich dem Gefühl der Ungeduld keine Beachtung mehr zu schenken.
Also: Es darf leicht sein für dich – Schritt für Schritt