Entscheidungen: +/- versus Bauchgefühl

Ein Telefonat mit meinem Sohn hat mich dazu gebracht, das Thema genauer anzuschauen.

Während der Bauphase hatte er zwei Angebote zu einem Gewerk auf dem Tisch. Lange erklärte er mir, was die Vor- und Nachteile der beiden Angebote sind. Ganz typische +/- Liste, wie wir sie alle kennen.

Seine Frage an mich: Mama, was meinst du dazu?

Hm, ich habe noch kein Haus gebaut, da ist alleine die technische Grundlage, geschweige denn technisches Verständnis bei mir vorhanden. Aber dabei wollte er auch keine Hilfe, das hat er als Techniker schon im Blick.

Wir landeten beim seinem Bauchgefühl.  Und da gab es einen Unterschied zu den Fakten. Er hatte bei einem der Anbieter ein komisches Bauchgefühl und konnte sich nicht wirklich erklären warum.

Was macht es uns so schwer, Entscheidungen zu treffen?

Solange wir Fakten im Kopf hin und her rollen, bewegen wir uns in einem uns bekannten Rahmen. Wir gehen in die Vergangenheit und holen dort Informationen, die uns helfen sollen. Wir gleichen ab, was wir an Erfahrung haben.  Wenn uns etwas fehlt, saugen wir weitere Informationen dazu auf.

Plus – Minus Listen basieren rein auf Informationen und auf vergangene Erfahrungen. Vielleicht holen wir uns noch weitere Meinungen ein. Auch diese basieren auf vergangenen Erfahrungen anderer.

Vieles davon kann wirklich hilfreich sein. Aber was, wenn wir in einer Patt-Situation stehen, einfach keine Entscheidung fällen können.

Dann tritt Verwirrung ein – Unverständnis für uns selbst. Wir, die doch sonst so klar sind, weil wir die Fakten gut kennen.

Und was passiert, wenn Entscheidungen ein Triggerpunkt für uns ist?

Vielleicht trifft uns dieses Thema genau da, wo wir seit Jahren mit einer Überzeugung rumlaufen. Etwas, was wir nicht anders kennen. Und etwas, dass wir uns immer wieder bestätigen.

Was, wenn dieser Überzeugungssatz lautet: Ich darf mir selbst nicht trauen.


Dann wird es schwer mit Entscheidungen, oder? Dann werden wir konfrontiert mit in unserem System abgespeicherten Glaubens/Überzeugungssätzen. Und wir merken es nicht mal. Wir fühlen nur ein Unwohlsein. Ein Nichtkönnen. Vielleicht auch Verzweiflung. Und packen dann noch Vorwürfe uns selbst gegenüber drauf: Bist du eigentlich blöd…. Jetzt stell dich doch nicht so an… Andere können viel schneller entscheiden…

Und wenn dann noch jemand mit Bauchgefühl kommt. Das geht schon gar nicht. Denn das ist ja genau das Dilemma. Ich fühle etwas, kann dem aber nicht nachgeben.

Geht auch nicht. Nicht in der Situation, in der wir gründlich darüber nachdenken. Denn das Denken ist genau das, was uns in diesen Zwiespalt bringt.

Können wir unseren Überzeugungssatz auflösen?

Den Satz – Ich darf mir selbst nicht trauen – umschreiben? Überschreiben? Auflösen? Muss ich erst in mir aufräumen? Probiert habe ich sowas jahrelang, heute weiß ich, dass es nicht funktioniert.

Was allerdings stimmt ist,  dass ich trotz dieses Satzes bereits sehr viele Entscheidungen getroffen habe. Und jede einzelne davon gehört zu meinem Leben. Hat mich an diesen Platz hier, an den PC gebracht, um jetzt darüber zu schreiben. Es war halt sehr anstrengend.

Heute weiß ich, dass ich nichts tun muss…

außer mich zu beobachten. Meinen Gedanken durchaus mit Misstrauen begegnen darf. Und in die Ruhe gehen darf. Warum? Dazu möchte ich dir eine Zwischenfrage stellen:

Wann und wo bekommst du deine besten Ideen?

Eine Frage, dich ich meinen Teilnehmern bereits oft gestellt habe. Ein gewisses Grinsen macht sich dann breit. Fast ein: Darf ich das wirklich sagen? Ja. Im Wald, beim Spaziergehen, beim Sport, kurz vor dem Einschlafen, in der Badewanne und ja,….. auch dort. Und die Erklärung ist einfach: ich bin entspannt. Mein Gehirn ist nicht mit dem Problem beschäftigt, ist nicht bei der +/- Liste.

In der Ruhe und Entspannung kann sich etwas anderes zeigen: unser inneres Potential. Das liefert uns neue frische Ideen. Zeigt uns vielleicht einen anderen Blickwinkel. Gibt uns über ein positives, warmes Gefühl den Stubs in die richtige Richtung. Und hilft uns, den Mut aufzubringen, doch in eine Richtung zu marschieren – auch mit einem mulmigen Gefühl – aber die Entscheidung ist da.

Der Spruch: Ich schlaf mal drüber, ist daher nicht verkehrt. Er zeigt uns auch, dass wir Ruhe brauchen, um aus dem Kreislauf des Denkens raus zu kommen.

Zurück zu meinem Sohn. Ich bestärkte ihn darin, auf sein Bauchgefühl zu hören. Ich meinte sogar, ein kleines Aufatmen bei ihm wahrzunehmen. Vielleicht hat er einfach nur den Zuspruch gebraucht von mir, in diesem Augenblick. Denn was er tun wird, wusste er bereits.

Wie es ausgegangen ist?

Er ist heute froh über seine Entscheidung. Die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen lief auch nicht reibungslos. Und trotzdem sagt er heute: Es war die richtige Entscheidung.

Kennst du dieses Dilemma mit den Entscheidungen? Und wie hast du es für dich gelöst? Ich freue mich, wenn du mir deine Erfahrungen schreibst.

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